Ein Vorzeigemodell einer ausgewogenen Anlagestrategie stellt die seit mittlerweile fast Ewigkeiten bestehende „3-Speichen-Regel“ dar. Rückschlüsse über deren Bestehen reichen bis ins 4. Jahrhundert nach Christi zurück und lassen sich erstmals im jüdischen Talmud finden. Mit etwa 1.600 Jahren Vergangenheit stellt die „3-Speichen-Regel“ vermutlich eine der ältesten und bewährtesten Anlagestrategien dar, von der man unbedingt gehört haben sollte.
Im Talmud findet sich dabei die Stelle, in der es heißt „man solle sein Vermögen stets in drei Teile teilen: ein Drittel Land, ein Drittel Handelswaren und ein Drittel bar zu Hand“.Auch wenn diese Wortwahl bzw. einfache Übersetzung der ersten Aufzeichnung und Bezugnahme zur „Drei-Speichen-Regel“ möglicherweise noch etwas undeutlich und verkrustet für so manchen Leser klingen mag, lässt sie doch auf ein gut überlegtes Anlagekonzept rückschließen. Lediglich die Art und Weise der drei geschilderten Anlageklassen unterscheidet sich im Laufe der Menschheitsgeschichte, jedoch erstaunlicherweise auch in keinem überproportional starken Ausmaß. Die anmutend alte Wortwahl lässt sich nämlich problemlos auf die gängigen Vermögenswerte unserer modernen Welt adaptieren. Die folgende Deklarierung, welche Vermögenswert unter welcher Speiche zu verstehen ist, stellt, mangels offizieller Definition, eine eigenständige Interpretation dar. Diese fällt im Großen und Ganzen bei allen Vorstellungen dieses Konzeptes ziemlich übereinstimmend aus und unterscheidet sich nur in marginalen Nuancen. Der Kern des Modells bleibt, unter diesem Gesichtspunktgesehen, also konstant.
So bezieht sich der Begriff „Land“ logischerweise auf die Vermögenswerte der Immobilien in all ihren unterschiedlichen Ausgestaltungsformen. Unter „Handelswaren“ lassen sich primär Sachwerte subsumieren. Nicht gänzlich geklärt ist in diesem Zusammenhang allerdings, ob hier nur Wertpapiere, allen voran Aktien, oder auch Edelmetalle und andere Rohstoffe in die Kategorie fallen. Mit „bar zu Hand“ sind insbesondere Barmittel gemeint, die sich im physischen Einzugsbereich befinden und somit auch jederzeit verfügbar sind. De facto handelt es sich dabei um eine Art eiserne Reserve. Nicht zweifelsfrei bestimmt ist allerdings, ob hier nicht auch Edelmetalle (wie Gold, Silber, Platin, etc.) in diese Speiche einbezogen gehören, wenn sich diese Werte im unmittelbaren physischen Zugriff befinden.
Der einfache, aber dennoch umso genialere Gedankengang dahinter besteht einerseits darin, die Aufteilung der persönlichen Vermögenswerte zu diversifizieren, um das immerwährende Risiko von Verlusten zu minimieren und andererseits, den aktuellen Wirtschaftszyklus stets vor Augen zu haben, um Gewinne aus den einzelnen Speichen zu realisieren und diese dann wieder in die nächste emporsteigende Speiche umzuschichten.
Um das Prozedere der Umschichtung leicht verständlich zu veranschaulichen, sollten wir uns ein einfaches Rad mit drei Speichen vor Augen führen. Jede dieser drei Speichen steht, wie bereits oben angeführt, für einander drei unterschiedlichen Bereiche. Auf das aktuelle wirtschaftliche Umfeld bezogen, befindet sich immer eine Speiche im Aufwärtstrend. Die sich jeweils im Aufwärtstrend befindliche Speiche ist jene, dessen Vermögenswerte in ihrem Wert steigen. So erleben beispielsweise Wertpapiere in wirtschaftlich florierenden Zeiten mit dementsprechend hoher wirtschaftlicher Auftragslage teils erhebliche Wertsteigerungen, während in diesem Umfeld Edelmetalle und unter Umständen sogar Immobilien etwas weniger gefragt sind. Folgen auf diesen Aufschwung schlechte bzw. wirtschaftlich unsichere Phasen mit schwacher Konjunktur, so werden gerade Edelmetalle und Immobilien auf Basis ihrer inhärenten Wertbeständigkeit stärker nachgefragt und steigen somit regelmäßig auch in ihrem Preis. Der teilweise hohe Anteil an Edelmetallen, der diesem Modellzugrunde liegt, mag den einen oder anderen aufs Erste überraschen, da diese bekanntermaßen keine Zinsen abwerfen, jedoch fungiert dieser hohe Anteil als solide Vermögensabsicherung durch ihre Wertbeständigkeit in wirtschaftlich turbulenten Zyklusphasen.
Aus den genannten Schilderungen lässt sich schlussfolgern, dass sich das Rad in unterschiedlichen wirtschaftlichen Konstellationen immer neu ausbalanciert und man Gewinne in einer der Speichen mit potenziellen Verlusten in anderen Speichen ausgleichen kann, um sein finanzielles Risiko zu minimieren. Die große Kunst besteht jedoch darin, die Marktlagen im Vorhinein richtig einschätzen zu können, um möglichst effektiv von der einen in die andere Speiche umzuschichten, sodass man in jeder wirtschaftlichen Lage und Situation bestmöglich profitieren kann. Es gilt also kontinuierlich, das Geschehen zu verfolgen, um sich stets bestmöglich positionieren und folglich auch anpassen zu können.
Abschließend lässt sich festhalten, dass es sich bei der „3-Speichen-Regel“ zweifelsohne um ein langfristiges Anlagekonzept handelt, welches bestenfalls über Jahrzehnte auf kontinuierlicher Basis betrieben werden muss, da die wirtschaftlichen Zyklen über Jahre, wenn nicht sogar über Jahrzehnte, verlaufen und eine möglichst risikoaverse Strategie Zeit benötigt, um nachhaltig erfolgreich auf Kurs zu sein. Wenn man sich folglich nur auf der Suche nach dem „schnellen Geld“ befindet, wird man beim Konzept der „3-Speichen-Regel“ wohl recht zügig auf den Holzweg geraten. Ganz allgemein sollte man sich allerdings bei einem sehr kurzfristigen Anlagehorizont die Frage stellen, ob eine solche Strategie überhaupt nachhaltig von Erfolg gekrönt sein kann!
Wichtiger scheint es allem voran, sich auf nüchterne und faktenorientierte Entscheidungsprozesse zu stützen, um nicht in Gier zu verfallen, auch wenn in unserer heutigen schnelllebigen Welt die Verführung überaus großer scheint.